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Interviews und Berichte

Experten sprechen über ...

Schwangerschaft

Sabine Simon ist Leiterin der Staatlich anerkannten Stelle für Schwangerschaftsfragen im ebz. Sie und ihr Team beraten Frauen und Männer, Familien und Paare zu Fragen rund um Kinderwunsch, Familienplanung, Schwangerschaft und der ersten Zeit mit dem Baby. Frau Simon erklärt, welche praktische Hilfe sie anbietet und warum die Schwangerschaftsberatung auch für Männer die richtige Anlaufstelle ist.

Wie sieht die praktische Unterstützung der Schwangerschaftsberatung aus?
Vor und nach der Geburt eines Kindes muss vieles beantragt und gemeldet werden. Wir helfen den Frauen und Paaren dabei, die passenden Vordrucke korrekt auszufüllen und an die richtigen Stellen zu schicken oder informieren sie, welche staatlichen Familienleistungen ihnen zustehen. Genauso beraten wir sie zu ihren Rechten und Pflichten gegenüber ihren Arbeitgebern, wenn es beispielsweise um den Mutterschutz oder die Elternzeit geht. Andere unterstützen wir bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche beim Jobcenter. Frauen oder Männer, die alleinerziehend sein werden, begleiten wir bei den notwendigen Schritten rund um die finanzielle Absicherung nach der Geburt, Sorgerechtsfragen und der Vernetzung mit anderen Single-Familien. Wir vermitteln ihnen finanzielle Hilfe aus der Landesstiftung „Hilfe für Mutter und Kind“ oder aus anderen Stiftungen. Wir füllen zusammen den Antrag aus, schicken ihn an die Stiftung und vermitteln dann das Geld, beispielsweise für die Grundausstattung für das Baby, für Schwangerschaftskleidung oder wenn neue Möbel nötig sind. Die Schwangerschaftsberatung ist also nicht nur zuständig, wenn ein Schwangerschaftsabbruch (umgangssprachlich Abtreibung) erwogen wird. Aber auch in den Fällen eines Schwangerschaftskonflikts sind wir für die Frauen da!

Welche Möglichkeiten haben Sie noch, Frauen individuell zu unterstützen?
Wir bieten Frauen, die nicht zu einer klassischen Geburtsvorbereitung gehen können, die Möglichkeit, diese hier im ebz zu machen. Diese Geburtsvorbereitung ist dann sehr individuell und auf die Bedürfnisse der jeweiligen Frau zugeschnitten. Wenn ihre Kenntnisse der deutschen Sprache nicht ausreichen, kann eine Dolmetscherin dabei sein. Frauen, die beschnitten sind oder Frauen die aus Ländern kommen, wo es nicht üblich ist, über körperliche Vorgänge zu sprechen, brauchen eine kultursensible Unterstützung während der Schwangerschaft, die wir ihnen ganz individuell anbieten.

 

Sie bieten auch Paarberatung an. Mit welchen Fragen und Problemen können die Paare zu Ihnen kommen?
Das ist ganz vielfältig. Viele Paare lassen sich zu Fragen bezüglich der gesetzlichen Regelungen während und nach einer Schwangerschaft beraten. Nach dem Motto vier Ohren hören mehr als zwei, wollen beide bei der Beratung dabei sein, um beim Stellen der Anträge Fehler zu vermeiden. Dann kommen Paare zu uns, die sich während der Schwangerschaft oder nach der Geburt des Kindes trennen wollen. Bei manchen Paaren tauchen während der Schwangerschaft oder in der ersten Zeit mit dem Kind Probleme im Zusammenleben auf. Das ist nicht ungewöhnlich. Wir unterstützen sie dann bei der Lösung ihrer Kommunikations- oder Organisationsprobleme. Eine intensive Beratung und Begleitung geben wir Paaren, die nach einem Befund aus der Pränataldiagnostik zu uns kommen und unter Schock stehen, weil bei ihrem Baby eine Behinderung festgestellt wurde. Und dann begleiten natürlich viele Männer ihre schwangere Partnerin in die Beratung, wenn ein Schwangerschaftsabbruch (umgangssprachlich Abtreibung) erwogen wird.

Zu Ihnen kommen auch Männer in die Beratung. Zu welchen Themen unterstützen und beraten Sie sie?
Viele Männer melden sich bei uns zum Thema Elterngeld und Elternzeit und haben vorher schon zu diesem Thema recherchiert. Sie kommen mit speziellen Fragen und wollen beispielsweise wissen, wie sie es ihrem Chef sagen können, dass sie planen, ein halbes Jahr Elternzeit zu nehmen. Oder sie fragen uns, wie sie die Anmeldung für die Elternzeit formulieren sollen. Da können wir dann praktische Unterstützung anbieten. Außerdem beraten wir Männer, die sich von ihrer schwangeren Partnerin getrennt haben und dennoch für ihr Kind ein guter Vater werden möchten oder wenn Sie Schwierigkeiten damit haben, dass ihre (Ex-)Partnerin eine Schwangerschaft abbrechen (abtreiben) möchte.

Wie oft kann jemand zu Ihnen zur Beratung kommen?
Einige Frauen und Familien begleite ich schon seit vielen Jahren. Generell können Familien sich bis zum dritten Lebensjahr des Kindes bei uns beraten lassen. Wie oft sie zu uns kommen, bleibt ihnen selbst überlassen. So kommen manche in Krisensituationen eine Zeitlang alle zwei Wochen, andere ein oder zwei Mal im Jahr.

Die Möglichkeiten der Pränataldiagnostik (PND) sind Fluch und Segen zugleich. Viele Frauen und ihre Partner fühlen sich nach einem schwierigen Befund alleine gelassen. Im Evangelischen Beratungszentrum München e. V.  finden sie Hilfe und Unterstützung.

 

Der Warteraum mit den Holzstühlen ist klein und gemütlich. Trotzdem hat Anna ein flaues Gefühl im Magen. Auf dem Boden spielt das Kind einer anderen wartenden Klientin mit einem großen Plüschkrokodil. Gelegentlich kommt ein fröhlicher Jauchzer aus der Kehle des blonden Jungen, was Anna jedes Mal einen schmerzhaften Stich versetzt. Ihr kleiner Junge wird nie so unbeschwert sein. Er wird wahrscheinlich nicht einmal einen Blick auf diese Welt werfen dürfen. Vor zwei Wochen hat sie die Diagnose erfahren: Ihr ungeborenes Kind hat eine Fehlbildung im Gehirn. Wenn es nicht schon während der Schwangerschaft stirbt, dann spätestens bei der Geburt. Sie hat die Worte des Arztes gehört, aber ihr Verstand weigert sich zu begreifen. Wie soll es jetzt weitergehen?

Ein Ort, um sich über sensible Themen zu informieren

Reinhild Zenker arbeitet in der Schwangerschaftsberatung des Evangelischen Beratungszentrums und ist dort unter anderem auf die Beratung im Bereich Pränatale Diagnostik(PND) spezialisiert. Die Frauen und Männer, die zu ihr kommen, stammen aus allen Gesellschaftsschichten und Altersklassen. Sie hat ein sehr feines Gespür für die unterschiedlichen Bedürfnisse der Ratsuchenden. „Viele stehen unter Schock und sind zum Teil richtig erstarrt“, berichtet sie von ihren Erfahrungen. Über die medizinischen Tatsachen informieren sich die meisten bereits, bevor sie zu ihr kommen. Vor allem die Männer wissen oft sehr gut Bescheid, wenn sie ihre Partnerin begleiten. Natürlich werfen die Diagnosen trotzdem viele Fragen auf. „Manche Frauen sagen: Ich will nicht so lange ein dem Tod geweihtes Kind in mir tragen. Ich möchte doch lieber eine eingeleitete Geburt“, verrät Reinhild Zenker. Dann klärt sie über mögliche Konsequenzen auf und scheut sich auch nicht davor, schwierige Themen anzusprechen, wie zum Beispiel den mehrstündigen Ablauf eines Spätabbruchs. Mit ihr können die betroffenen Eltern dann auch über die Verabschiedung vom Kind sprechen und seine Bestattung planen.

Schockdiagnose Behinderung

Geht es um behinderte Kinder, etwa mit Down-Syndrom, begegnet Reinhild Zenker immer wieder Vorurteilen. Gerade dann ist es wichtig, zu erklären, dass es verschiedene Formen und Schweregrade bei Behinderungen gibt. Außerdem weist sie auf Institutionen hin, die betroffene Familien unterstützen und hilft beim Ausfüllen von Anträgen. Manchmal geht es auch nur darum, einen ärztlichen Befund besser zu verstehen. In solchen Fällen ziehen die Beraterinnen und Berater oft Experten hinzu, die noch einmal genau auf einzelne Fragen zu den Diagnosen eingehen.

Auch die emotionale Belastung ist groß. Bei vielen werdenden Eltern haben sich die unterschiedlichsten Gefühle aufgestaut. „Kein Arzt kann genau sagen, wie die Behinderung aussieht, wenn das Kind einmal geboren ist“, erklärt Reinhild Zenker. „Man lässt sich auf etwas Unbekanntes ein. Das macht den meisten Frauen und Männern Angst. Dass sie keinen klaren Befund bekommen, macht viele sogar richtig wütend.“ Aber auch dafür ist die Beratungsstelle da. Reinhild Zenker und das Team der Schwangerschaftsberatung helfen den Frauen und Paaren, aus ihrer Ohnmacht und Hilflosigkeit herauszufinden. Wut und Zorn sind zwei wichtige Ventile und dafür bekommen sie hier den emotionalen Raum. Wenn sich ein Prozess in Gang setzt, bei dem sich die Frauen und ihre Partner aus ihrer Starre lösen, anfangen, Fragen zu stellen, Gefühle zuzulassen und damit wieder entscheidungs- und handlungsfähig werden, dann ist es für Reinhild Zenker eine gelungene Beratung.

Vielschichtige Probleme

Doch manche Probleme führen noch zu ganz anderen Überlegungen. Karin versucht seit Jahren schwanger zu werden. Nach einer entsprechenden Behandlung hat es jetzt endlich geklappt. Dann kommt die Schockdiagnose: Es werden Zwillinge und eines der Kinder ist behindert. Alleine die Tatsache, statt einem plötzlich zwei Babys versorgen zu müssen, erscheint ihr wie eine unüberwindliche Hürde. Ihr Mann ist beruflich viel unterwegs. Wie soll sie sich da auch noch um ein behindertes Kind kümmern? Eine Abtreibung wäre zwar möglich, birgt aber auch ein Risiko für das gesunde Baby. „Die Entscheidung, die diese Frauen treffen müssen, überfordert eigentlich jeden“, führt Reinhild Zenker aus. „Sie müssen danach schließlich auch mit den Konsequenzen leben.“ Für viele ist es deshalb auch wichtig zu hören, wie es anderen Paaren ergeht und wie diese mit ihrer Entscheidung zurechtkommen.

 

Beraten bedeutet auch Begleiten

Die Tür des ebz bleibt auch über die Geburt eines behinderten Kindes oder eines Schwangerschaftsabbruchs hinaus offen. „Die einen oder anderen kommen wieder und sagen: Ich bin immer noch traurig, wenn ich daran denke“, erklärt Reinhild Zenker. „Oft gibt es auch Situationen im Alltag, bei denen Erinnerungen hochkommen und alte Wunden aufreißen.“ Im Regelfall berät sie Eltern bis zum dritten Lebensjahr des Kindes. Doch auch wenn sich Frauen oder Männer erst nach vielen Jahren wieder melden, weil sie Hilfe brauchen, sind Reinhild Zenker und die anderen Teammitglieder der Schwangerschaftsberatung aber auch die Kolleg*innen aus der Ehe,-Familien- und Lebensberatung des ebz für sie da. „Immerhin haben sie es geschafft, hier anzurufen. Und das ist schon einmal super“, sagt sie. Vertrauen und das Gefühl, einen neutralen Ort gefunden zu haben, an dem sie nicht verurteilt werden, ist für Frauen und Paare in einer solchen Situation schließlich die Basis jeder Beratung.

Zurück ins Leben finden

Letztendlich sind es die vielen positiven Erfahrungen und die Gewissheit, den Menschen zu helfen, die Reinhild Zenker an ihrem Job so sehr mag. „Manche Paare, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden haben, tauchen nach Jahren wieder bei mir auf. Wenn sie dann erzählen, dass sie jetzt ein Kind haben und dass es ihnen gut geht, dann freut es mich natürlich, das zu hören.“ Der Trauerprozess dauert oft sehr lange. Zu sehen, wie diese Menschen gestärkt daraus hervorgehen und wieder ins Leben zurückkehren, ist für die Beraterin der schönste Beweis dafür, wie sinnvoll und wichtig ihre Arbeit ist.

Die Sozialpädagogin spricht über die Workshops für Migrantinnen zur reproduktiven Gesundheit.

 

Der weibliche Körper, gewollte und ungeplante Schwangerschaften sind immer wieder Themen in den Workshops

Wer kann Workshops bei Ihnen buchen?
Wir kommen in alle Einrichtungen und Institutionen, die Sprach- und Integrationskurse oder sonstige Projekte für Frauen mit Migrations- oder Fluchthintergrund anbieten. Auch in Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge bieten wir unseren Workshop an. Leiterinnen und Leiter der Kurse und Frauengruppen können sich gern wegen eines Einsatzes an uns wenden.

An wen richten sich die Workshops?
Wir informieren Frauen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen und Sprachkenntnissen. Sie haben meistens ein lückenhaftes Wissen rund um Frauengesundheit, Verhütung und das deutsche Sozialleistungs- und Gesundheitssystem.

Wo beraten Sie?
Unsere Veranstaltungen finden in den Schulungs- und Gruppenräumen der jeweiligen Einrichtung statt.

Welche Themen stehen im Mittelpunkt?
Es geht um Familie und Kultur, um den weiblichen Körper, und die Gesundheitsvorsorge. Wir sprechen mit den Frauen über geplante und ungewollte Schwangerschaften und die damit verbundenen Fragen. Ein wichtiger Punkt ist außerdem die Information über Unterstützungs- und Beratungsangebote. Dabei kommen wir immer wieder auf die gleichen Fragestellungen zurück: Wie funktioniert Deutschland mit all seinen Gesetzen, Werten und Normvorstellungen? Welche Rechte habe ich hier als Frau?

Warum bieten Sie die Workshops an?
Den Frauen fehlt häufig eine Ansprechpartnerin, die sich mit den deutschen Gegebenheiten auskennt. Sie sind oft sehr unsicher. Damit sich die Frauen trauen, sich zu öffnen, sind die Workshops reine Frauenveranstaltungen. In diesem geschützten Rahmen kommt es zu einer offenen Auseinandersetzung mit den kulturell unterschiedlichen Sichtweisen über Familienplanung und Geschlechterrollen. Durch den gemeinsamen Austausch unter den Frauen, die ja sehr oft aus vielen verschiedenen Ländern  und mit den unterschiedlichsten Bildungshintergründen kommen, werden dann oft zunächst die Unterschiede im Wissen, den Rechten und in den Werten deutlich. Das Kennenlernen neuer Aspekte und Möglichkeiten ohne die bisherigen Werte und Vorstellungen gleich damit als unsinnig oder gar schädlich hinzustellen, ermöglicht es den Frauen ihren persönlichen Entscheidungs- und Handlungsspielraum in Frauenfragen zu erweitern. Und das ist ein wichtiges Ziel unseres Workshops.

Die Sexualpädagog*innen sprechen über die wichtigsten Fakten rund um Workshops an Schulen und die Beratung von Jugendlichen.

An wen richten sich die Workshops?
Wir bieten Workshops für Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen, einschließlich Berufsschulen, sowie für Jugendgruppen an. In der Regel gehen wir dafür in die Schulen, Jugendhilfeeinrichtungen oder Kirchengemeinden. Es ist aber auch möglich, uns vor Ort im ebz zu besuchen.

Die Workshops für Jugendliche verbinden Information und Spaß miteinander

Wie oft kommen Sie in die Klassen oder Gruppen?
Unser Schwerpunkt liegt auf jährlich aufeinander aufbauenden, etwa dreistündigen Workshops von der fünften bis zur zehnten Klasse. Wenn wir freie Kapazitäten haben, bieten wir aber auch Einzelprojekte an, die dann ebenfalls drei Stunden dauern.

Was passiert bei den Workshops?
Zunächst einmal orientieren wir uns an den Entwicklungsaufgaben der einzelnen Altersstufen und den Fragen der Jugendlichen. Im geschützten Rahmen bieten wir die Möglichkeit, ihr Wissen über Sex mit unseren Informationen abzugleichen. Zum einen vermitteln wir biologische Fakten, Wissen über sexuelle Gesundheit, sexuell übertragbare Krankheiten, Verhütung, sowie die Entstehung einer Schwangerschaft. Außerdem sprechen wir viel über die Pubertät und das Erwachsenwerden, Freundschaften, die erste Liebe, Partnerschaft, Lust und Sexualität. Dabei geht es auch immer wieder um unterschiedliche Wertvorstellungen und individuelle Grenzen.

Mit welchen Methoden arbeiten Sie?
Wir arbeiten in geschlechtsspezifischen Gruppen, in Kleingruppen und im Plenum. Unsere Methoden entsprechen aktuellen wissenschaftlichen Standards, richten sich aber auch nach Thema, Alter, Situation und Gruppendynamik. Sie sind vielfältig und sehr unterschiedlich, von einem individuell auszufüllenden Quizbogen, über anonym formulierte Fragen, die sogenannte Black-Box, bis hin zu kleinen Rollenspielen. Und der Spaß darf natürlich nicht zu kurz kommen.

Was bieten Sie über die Workshops hinaus an?
Bei Bedarf gibt es Sprechstunden an der Schule, die jede Schülerin oder jeder Schüler aller Klassen nutzen kann. Es können natürlich auch individuelle Beratungstermine mit uns im Anschluss an Workshops vereinbart werden.

Partnerschaft und Familie

Jürgen Wolf, Diplom-Psychologe und psychologischer Psychotherapeut, über die Arbeit an der Beratungsstelle für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien des Evangelischen Beratungszentrums.

Geht es bei Ihrer Beratung für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien hauptsächlich um Erziehung?
Ich würde unsere Arbeit nicht Erziehungsberatung nennen. Die Bezeichnung „Beratungsstelle für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien” kommt unserer Arbeit viel näher, weil dadurch der Beziehungsaspekt stärker zum Ausdruck kommt. Die Problematik liegt häufig in den schwierigen Beziehungen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern und zu sich selbst. Der Begriff Erziehung wäre dafür zu hierarchisch und autoritär.

Mit welchen Problemen werden Sie häufig konfrontiert?
Wir haben hier alle Themen, die Kinder und Jugendliche beziehungsweise deren Eltern betreffen. Aber interessant ist, dass es oft um Übergänge geht. Von der Krippe in den Kindergarten, vom Kindergarten in die Schule oder von der Schule ins Berufsleben. Meist ist bei Jugendlichen auch die Ablösung vom Elternhaus ein Problem. Außerdem gibt es Themen wie Trennung und Scheidung, aber das ist ja auch eine Übergangsphase in der Entwicklung der Betroffenen.

Haben Sie sich auf bestimmte Themen oder Fälle spezialisiert?
Grundsätzlich beraten alle Kollegen in der Abteilung alle Ratsuchenden, unabhängig vom Problem oder der Person. Arbeitsschwerpunkte können sich aber durch die jeweilige Ausbildung und bestimmte Interessen ergeben oder durch die Situation der Hilfesuchenden. Beispielsweise gibt es bei mir bestimmte Themenschwerpunkte, weil ich der einzige Mann in dieser Abteilung bin. Bei der Anmeldung wird manchmal explizit nach einem männlichen Berater gefragt. Vor allem alleinerziehende Mütter fragen danach, weil in der Familienstruktur der Vater fehlt. Bei Trennungs- beziehungsweise Scheidungsfällen ist das ähnlich. Männer lassen sich oft lieber von einem Mann beraten. Außerdem biete ich noch Einzeltherapien für Kinder in einem engen Zeitrahmen als Übergang zu einer Langzeittherapie an.

 

In Ihrem Zimmer stehen viele Stofftiere, Handpuppen und Holzfiguren. Wie setzen Sie diese in der Beratung ein?
Das gehört zu dem psychodramatischen Ansatz, den ich in der Beratung anwende. Psychodramatisch heißt, dass ich stellvertretend für Personen oder Symptome Figuren nehme und mit diesen bestimmte Situationen durchgespielt werden. Der Ratsuchende überträgt seine Situation auf die Figuren und schafft sich dadurch eine Distanz zu seinem Problem. Dadurch kann er zum einen seine Situation besser demonstrieren und zum anderen einen besseren Überblick auf die eigene Situation bekommen. Die neue Perspektive hilft, neue Handlungsmöglichkeiten und Lösungswege zu finden. Die Figuren können leichter den Ist-Zustand demonstrieren und Wunsch-Zustände darstellen. Die eigene Situation auf Figuren übertragen schafft Distanz.

 

Hat das Bedürfnis nach Erziehungsberatung in den letzten Jahren zugenommen?
Die Nachfrage hat definitiv zugenommen. Grund ist zum einen, dass die Erziehung liberaler geworden ist. Dadurch werden die Grenzen und Strukturen undeutlicher. Zum anderen gibt es inzwischen viele verschiedene Erziehungsansätze. Mit der Fülle an Möglichkeiten sind die Eltern oft überfordert und verunsichert, ob sie in ihrer Erziehung das Richtige tun. Viele sehnen sich nach einem Konzept, das zu ihnen passt und kommen deshalb in Elternseminare oder in die Beratung, um sich zu informieren.

Ein Interview von Mechthild Fendel

Die EPFL-Familienrechtlerin über das Zusammenleben von Jugendlichen und Eltern

Wenn aus Kindern Jugendliche werden, geht in vielen Familien der Ärger los. Welche rechtlichen Grundlagen gibt es zu beachten?
Die Art und Weise, wie Eltern und Jugendliche ihr Zusammenleben gestalten, ist gesetzlich nicht geregelt. Das muss von den Familien selbst entwickelt werden. Es gibt nur eine ganz klare Regel: Bis die Kinder 18 Jahre alt sind, sind sie minderjährig und die Eltern tragen die elterliche Sorge. Das bedeutet, sie sind verantwortlich für die Ausbildung, für die finanzielle Unterstützung, Gesundheitsvorsorge und so weiter. Ab Volljährigkeit können die Kinder dann das meiste alleine entscheiden.

Bis wann sind Eltern finanziell in der Pflicht?
Finanziell sind Eltern in der Pflicht bis die erste Berufsausbildung abgeschlossen ist und das Kind sich selbst versorgen kann. Spätestens ab Volljährigkeit müssen sich beide Eltern am Barunterhalt für das erwachsene Kind im Verhältnis ihrer Einkommen zueinander beteiligen. Gerade bei getrennten Eltern können dadurch Konflikte auftreten, denn sie müssen dann ihre Einkommen gegenüber dem Ex-Partner aufdecken, um festzustellen, wer mit welcher Quote zum Unterhalt des erwachsenen Kindes in Ausbildung beizutragen hat. Im schlimmsten Fall muss das erwachsene Kind gegen einen der Elternteile klagen.

Wenn die Situation mit einem Jugendlichen ausweglos erscheint – welche Möglichkeiten hat man als Eltern?
Man kann die elterliche Sorge nicht abgeben. Ein erster Schritt wäre, sich Hilfe bei einer Beratungsstelle zu suchen – im Idealfall gemeinsam mit dem Jugendlichen. Ein nächster Schritt wäre, sich ans Jugendamt zu wenden. Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, dass der Jugendliche in einer betreuten Wohngruppe wohnen kann. Die gibt es für Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren. Meistens rappelt es zwischen alleinerziehenden Müttern und ihren Söhnen. Wenn es zwischen Eltern und Kindern keinerlei Respekt mehr gibt und das Zusammenleben für alle Beteiligten zur Qual wird, ist meistens schon vorher etwas schiefgelaufen. Es wurde kein gegenseitiger Respekt durch Zuwendung und Liebe aufgebaut. Manchmal kann ein Auslandsaufenthalt helfen. Durch den räumlichen Abstand entspannt sich die familiäre Situation. Die Jugendlichen sind für eine Zeit raus aus der Familie und haben die Chance, sich in einem neuen Umfeld weiterzuentwickeln und fern vom Elternhaus erwachsen zu werden. Das sollte allerdings gemeinsam entschieden werden. Ein Auslandsaufenthalt ohne Einverständnis des Jugendlichen sähe sonst eher wie eine Bestrafung aus.

Welche Möglichkeiten haben denn Jugendliche, die die Situation zu Hause nicht mehr ertragen?
Diese können sich ebenfalls an Beratungsstellen wenden, oder auch an das Jugendamt. Dort bekommen sie Hilfe, um als junge Erwachsene Unterhaltsansprüche gegen die Eltern durchzusetzen. Ein Jugendlicher, der vor Eintritt seiner Volljährigkeit gegen den Willen seiner Eltern ausziehen will, muss wissen, dass die Eltern entscheiden, in welcher Form sie ihrer Unterhaltspflicht nachkommen wollen. Die Eltern entscheiden, ob sie ihm Barunterhalt oder Naturalunterhalt, wie zum Beispiel Unterkunft und Verpflegung in ihrem Haus, anbieten. Können die Eltern aus ihren Erwerbseinkünften den Unterhalt nicht in bar zahlen, wenn der Jugendliche ausziehen möchte, könnten sie beispielsweise sein Zimmer untervermieten. Den Erlös könnten sie dem Jugendlichen zusammen mit dem Kindergeld auszahlen. Doch ob sie das tun wollen, entscheiden die Eltern, nicht der Jugendliche. Wenn die Eltern bereit sind dies zu tun, dann kann der Jugendliche auch schon vor Erlangung der Volljährigkeit ausziehen und alleine wohnen – allerdings nur so lange, wie er sich nicht weiter auffällig benimmt und den Eltern keine Verletzung ihrer elterlichen Verantwortung vorgeworfen werden kann. Gesetzlich gibt es keine klare Altersgrenze, ab wann ein Jugendlicher alleine wohnen darf, aber zwischen 16 und 18 wäre eine Wohnlösung außerhalb des Elternhauses durchaus vorstellbar.

Was kann der Jugendliche tun, wenn die Eltern nicht damit einverstanden sind?
Wenn der Jugendliche die von den Eltern angebotene Unterhaltsleistung nicht akzeptieren will, kann er schlimmstenfalls mit Hilfe des Jugendamts oder des Gerichts versuchen, seine Vorstellungen zu verwirklichen. Ist die Situation im Elternhaus so belastend für den Jugendlichen, dass gesundheitliche oder psychische Schäden eintreten könnten, kann er auch gegen den Willen der Eltern Unterhalt einklagen und seinen Auszug bewirken.
Umgekehrt kann er seinen Anspruch auf Unterhalt teilweise oder ganz verlieren, wenn er seiner Verpflichtung eine Ausbildung anzufangen und zielstrebig durchzuführen, nicht nachkommt. Wenn ein Jugendlicher die Schule oder seine Ausbildung abbricht oder gar nicht erst anfängt, hat er eine Erwerbsobliegenheit. Dann sind die Eltern nur noch bedingt unterhaltspflichtig.
In solchen Übergangsphasen haben die Jugendlichen die Pflicht zu jobben, um ihren Grundbedarf selbst zu decken und die Eltern unterhaltsrechtlich zu entlasten.

Mitarbeiterinnen der Ehe-, Familien-, und Lebensberatung sagen, wie sie bei Problemsituationen in der Familie oder Partnerschaft helfen können.

In welchen Fällen empfehlen Sie eine Familienberatung?

Streit gibt es in jeder Familie. Das ist normal und sogar notwendig. Wenn sich jedoch die Fronten verhärten, Familienmitglieder anhaltend ausgegrenzt werden oder sich so fühlen, keine gemeinsamen Gespräche mehr möglich sind, oder Konflikte eskalieren, dann ist eine Familienberatung sinnvoll. Der Berater hilft den Familienmitgliedern, mit mehr Abstand auf ihre Probleme zu schauen, sich gegenseitig zu verstehen und Lösungen zu finden. Auch Erwachsene mit ihren Eltern oder erwachsene Geschwister kommen zu uns, um langjährige Konflikte beizulegen.

Wann brauchen Alleinerziehende Ihre Unterstützung?

Alleinerziehende stehen oft unter finanziellem Druck, haben zu wenig Unterstützung, leiden häufig unter Einsamkeit und Stress – und das alles dauerhaft. Wir entlasten allein schon durchs Zuhören und unsere Anerkennung für ihre Leistung. Wir suchen gemeinsam im Gespräch nach Entlastungsmöglichkeiten und wir ermuntern auch die Alleinerziehenden dazu, öfter mal um Hilfe zu bitten. Viele haben das als Einzelkämpfer mit der Zeit verlernt.

Sind Beziehungen konfliktanfälliger, wenn die Partner aus verschiedenen Kulturkreisen kommen?

In jeder Partnerschaft treffen immer zwei Menschen und somit zwei Welten aufeinander. In binationalen Partnerschaften fällt nach dem ersten Gefühl der Verliebtheit oft das Fremde besonders ins Gewicht.
Verschiedene Ansichten über die Geschlechterrollen, die Arbeitsteilung in der Familie, die Religion, den Umgang mit Geld und die Kindererziehung können ein friedliches Zusammenleben beeinträchtigen. Wir empfehlen in solchen Fällen, den anderen in seiner Unterschiedlichkeit so gut wie möglich kennen zu lernen, damit ein besseres gegenseitiges Verstehen entsteht. Manchmal verbirgt sich jedoch hinter den scheinbar kulturellen Differenzen der ganz normale „Paarwahnsinn“.

Sie helfen bei der Ehe-, Paar- und Familienberatung auch wenn Gewalt eine Rolle spielt. Wie können Sie in solchen Fällen helfen?

Wir sind keine Fachstelle für Gewalt. Sollte Gewalterfahrung in der Beratung angesprochen werden, greifen wir das sofort auf und versuchen die Gewaltspirale zu unterbrechen. Die Sicherheit des Opfers steht dabei an erster Stelle. Das kann auch eine räumliche Trennung bedeuten. Wir unterstützen bei diesem Schritt und versuchen sowohl das Opfer, wie den Täter zu einer Therapie zu motivieren.

Müssen bei Gewalt in einer Beziehung dann immer beide Partner zur Beratung kommen?

Nein, viel häufiger ist es, dass eine Person alleine kommt. Wir erarbeiten dann mit dem Einzelnen, wo seine Möglichkeiten liegen, die Gewaltspirale zu durchbrechen. Grundsätzlich stellt sich die Frage, was die Frau oder den Mann in einer Beziehung mit Gewalt hält.

Können sich auch Partner mit sexuellen Schwierigkeiten an Sie wenden?

Selbstverständlich. Sexualität ist häufig ein zentrales Thema in der Paarberatung, mit dem wir sensibel und achtsam umgehen. Oft ist es erleichternd und förderlich für die Partnerschaft, wenn dieses eher schambesetzte Thema besprechbar wird.

Beraten Sie auch homosexuelle Paare?

Selbstverständlich! Unser Angebot ist für alle offen.

Haben Paare nach einem Seitensprung überhaupt noch eine Chance? Beraten Sie als Evangelisches Beratungszentrum auch in diesen Fällen?

Untreue ist tatsächlich ein häufiger oft verdeckter Anmeldegrund bei uns. Verletzungen, Kränkungen, Misstrauen und Schuldgefühle sind natürlich oft zunächst im Vordergrund. Wir verurteilen Untreue nicht moralisch, sondern verfolgen das Ziel, dass das Paar die Hinter- und Beweggründe besser versteht. Wenn das gelingt, wird die Beziehung in der Regel authentischer und damit tiefer. Grundsätzlich begreifen wir Außenbeziehungen als Entwicklungschance für das Paar, wie andere Krisen auch.

Unsere Familienrechtlerin Sandra Kuhlmann gibt einen Überblick über die häufigsten Fragen in der Trennungsberatung und Mediation.

Viele Menschen lassen sich im ebz beraten, wenn es zu einer Trennung kommt. Welche rechtlichen Fragen tauchen in dem Zusammenhang am häufigsten auf?

Die meisten Menschen kommen allein zu mir in die Rechtsberatung. Ich lade immer auch den Partner mit ein, einfach damit beide auf dem gleichen Wissensstand sind. Dann kann man sich besser vorstellen, welche verschiedenen Lösungswege es bei einer Trennung gibt. Die erste Frage, die mir gestellt wird, ist meist, ob man sich scheiden lassen muss, oder ob eine Trennung ohne Scheidung auch möglich ist. Danach geht es meist um das Wie: Wie kommt man zu einer guten Trennungsvereinbarung oder Scheidungsfolgenvereinbarung?
Paare, die Kinder haben, beschäftigen sich zudem überwiegend mit der Frage, wie man die Betreuung der Kinder (Umgang) zum Wohle der Kinder gestalten kann. Fragen über die Unterhaltsregelung und Aufteilung des Vermögens und der Schulden spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Ich bespreche mit den Klienten auch regelmäßig Fragen wie:

  • Für was genau benötigt man einen Anwalt?
  • Welche Regelungen bedürfen einer notariellen Beurkundung, um wirksam zu sein?
  • Was kann man ohne Notar oder gerichtliche Protokollierung wirksam vereinbaren?
  • Wie lange dauert die Auseinandersetzung in etwa?
  • Was kostet sie?

Was empfehlen Sie Ehepartnern – einfach nur eine Trennung oder gleich eine Scheidung?

Die Frage, ob eine Trennung oder Scheidung vorteilhafter ist, lässt sich nicht allgemein beantworten.
Grundsätzlich kann man sagen: Eine Trennung ohne Scheidung ist dann angebracht, wenn man noch nicht sicher ist, dass die Beendigung der Beziehung der richtige Schritt ist. Es gibt in solchen Fällen auch die Möglichkeit fast alle Folgen einer Scheidung im Rahmen einer notariellen Beurkundung so zu regeln, als wäre man geschieden.

Trennung und Scheidung ist komplizierter und emotionaler, wenn auch Kinder betroffen sind.
Welches sind die wichtigsten Fakten, die Eltern wissen sollten?

Mit den Fragen, wie der Unterhalt, die elterliche Sorge und der Umgang geregelt werden sollen, müssen sich die Eltern in jedem Fall auseinandersetzen. Das Entscheidende sind aber gar nicht die rechtlichen Dinge. Viel wichtiger ist es, dass die Eltern trotz Trennung versuchen gute Eltern zu bleiben, dass sie respektvoll mit dem anderen umgehen, aus welchem Grund  auch immer die Beziehung gescheitert ist. Eltern, die das können, können sich immer auch über Unterhaltsfragen und über das richtige Betreuungsmodell einigen. Am wichtigsten ist es, dass beide das Wohl der Kinder im Blick haben und nicht die eigenen Bedürfnisse, rechtliche oder finanzielle Aspekte in den Vordergrund stellen.

Den meisten Paaren gelingt das.

Mitarbeiterinnen der EFL erklären, wie die Lebensberatung arbeitet.

Mit welchen Sorgen ist man bei der Lebensberatung des ebz richtig aufgehoben?

Mit allen Sorgen, die so belastend sind, dass Menschen allein nicht mehr weiter wissen. Das können Themen von der Wiege bis zur Bahre sein. Damit meinen wir Einsamkeit, psychische Probleme, Paar- und Familienkonflikte, Schwierigkeiten am Arbeitsplatz oder auch sonstigen Stress. Gemeinsam mit unseren Klient*innen schauen wir, was im gegenwärtigen Moment wirklich notwendig und hilfreich ist. Wir begleiten in schwierigen Zeiten oder verweisen gegebenenfalls auf andere Stellen oder Therapiemöglichkeiten.

Wenn eine tiefer greifende Therapie nötig sein sollte, bieten Sie diese im ebz an?

Wir bieten selbst keine Psychoherapie an. Wir klären darüber auf, wer therapeutische Hilfe anbietet.

Wie helfen Sie den Hilfesuchenden konkret?

Wir sind ein multidisziplinäres Team mit unterschiedlichen pychotherapeutischen Weiterbildungen und Erfahrungen. Gemeinsam ist uns folgendes: Wir versuchen zusammen mit der Klient*in zu verstehen, um was es eigentlich geht. Verstanden zu werden ist ein Grundbedürfnis eines jeden Menschen, vor allem dann, wenn er in einer Krise steckt und sich mit dem Problem allein gelassen und überfordert fühlt. Wenn sich ein Mensch verstanden fühlt, kommt er wieder in Kontakt mit sich selbt und seinen Fähigkeiten. Dadurch tun sich weitere Schritte auf.

Kurz gesagt: Wir helfen, das Chaos im Kopf zu ordnen.

Schule

Psychologinnen Katharina Oßwald und Natalie Sharp berichten in einem Radio-Interview bei Radio-Lora über Leistungsdruck und Freizeitstress im Hinblick auf die Covid-19 Pandemie.

Psychologin Agnes Jänsch berichtet in einem Radio-Interview bei Kita-Radio über den Einstieg in den Kita-Alltag nach dem Corona-Lockdown

Telefonseelsorge

Menschen, die bei der TelefonSeelsorge anrufen, sind Kinder, Jugendliche, Erwachsene und alte Menschen. Sie rufen aus vielen verschiedenen Gründen an.

Gespräche bei Einsamkeit

Es klingelt. Eine unserer Ehrenamtlichen nimmt das Telefon ab und hört am anderen Ende: „Ich hab heute noch mit niemandem gesprochen. Ich wollte einfach mal eine menschliche Stimme hören.“ 60 Prozent der Anrufenden wohnen allein. Menschen haben einfach Hunger nach Beziehungen. Manchen genügt es zu wissen, dass es die TelefonSeelsorge gibt. Neulich hat jemand im Gespräch gesagt: „Es ist so gut, dass es die TelefonSeelsorge gibt. Dadurch erübrigt sich manchmal schon, dass ich anrufen muss. “Allein das Wissen, dass da jemand ist, den man anrufen kann, ist ein tolles Gefühl und gibt den Menschen Sicherheit“.

Hilfe in akuten Krisen

Manche Anrufende stecken in einer plötzlichen Krise. Sie rufen an, wenn die Panik kommt, wenn sie sich hilflos fühlen. Bei einer Frau z.B. wurde in ihrer Abwesenheit eingebrochen. Die Polizei kommt, Zeugen müssen aussagen, die Nerven liegen blank. Als alle gegangen waren, überfiel sie plötzlich Panik. In dieser Situation hat sie die TelefonSeelsorge angerufen. Sie wurde unterstützt und begleitet. Es war gut für sie zu spüren, dass es jemanden gibt, der sie in so einer Krisensituation auffängt.

Psychische Krankheiten und Depressionen

Viele Menschen leiden an psychischen Krankheiten, Depressionen oder Psychosen. Auch Menschen, die einer längerfristigen Begleitung bedürfen, rufen an. Menschen, die manchmal mit Depressionen aufwachen und erst mal nicht aus dem Bett kommen. Menschen, die Panikattacken haben. Manche rufen uns an und sagen: „Ich will nicht schon wieder in die Klinik. Ich komme aber auch nicht allein zurecht. Helfen Sie mir die nächste halbe Stunde durch die Panikattacke durchzukommen. Danach geht’s mir wieder gut. Dann kann ich wieder gut allein weiterleben.“ In solch einer Situation sind wir für den Anrufenden da, unterstützen und geben Halt.

Halt und Trost in der Trauer

Es gibt Menschen die uns anrufen, weil sie einen Verlust erlitten haben, die in Trauer sind. Trauer ist keine Krankheit. Trauer ist keine Depression. Trauer ist erst mal etwas ganz Normales. Wir begleiten Leute, die l traurig sind, die am Telefon weinen wollen. Danach geht es ihnen meistens besser.

Isabell Pfeufer spricht mit dem Leiter der Telefonseelsorge.

Wann darf man bei der TelefonSeelsorge anrufen?
Das Tolle an der TelefonSeelsorge ist, dass man immer anrufen kann. Rund um die Uhr. An Weihnachten oder Ostern. Tag und Nacht, sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag. Es ist immer einer von unseren 120 Ehrenamtlichen am Telefon.

Was darf man fragen, wenn man anruft?
Man muss sich nicht dafür rechtfertigen warum man anruft. Kein Problem ist zu klein. Sie können im Prinzip mit jedem Anliegen, mit jeder Frage, mit jedem Problem anrufen. Etwa wenn Sie eine Information zu irgendetwas brauchen, Sie mit irgendjemandem über etwas reden möchten, oder Sie tatsächlich in einer Krise sind oder in einer Depression. Wir sind für alle Anliegen offen.

Wie lange darf das Gespräch dauern?
Statistisch gesehen beträgt die Hälfte der Gespräche 15 Minuten. Zehn Prozent der Gespräche dauern etwa eine Stunde. Wir wissen vorher nicht, ob das Gespräch nur zwei Minuten oder auch zwei Stunden dauern wird. Das ist vom Anliegen abhängig und von der Situation, in der sich der Anrufende gerade befindet. Manchmal ist man im Gespräch mitten in der Krisensituation drin. Wenn jemand akut suizidgefährdet ist, kann es schon sein, dass man denjenigen zwei Stunden am Telefon hat.

Wie oft darf man anrufen?
Ratsuchende können mehrmals bei uns anrufen. Wir versuchen, jedem gerecht zu werden. Wir beraten viele Menschen, die regelmäßig anrufen – einmal im Monat, einmal in der Woche oder in Krisen auch täglich.

Kostet es etwas, wenn ich bei der TelefonSeelsorge anrufe?
Nein. Alle Anrufe sind innerhalb von Deutschland völlig kostenlos, egal ob man vom Festnetz oder Handy anruft. Wenn man aus dem Ausland anruft, zahlt man nur die Roamingkosten.

Wird auf der Telefonrechnung sichtbar, dass ich bei der TelefonSeelsorge angerufen habe?
Wir sehen die Nummer des Anrufenden nicht auf dem Display. Das ist von der Telekom so eingerichtet. Auch auf der Telefonrechnung kann man den Anruf nicht sehen. Das Gespräch ist vollkommen anonym. Wir fragen nicht nach dem Namen des Anrufenden und möchten selbst auch anonym bleiben.

Wie geht es nach dem Gespräch für den Anrufenden weiter?
Je nach Anliegen und Problemlage versuchen wir mit dem Anrufenden natürlich zu schauen, was in der jeweiligen Situation der nächste Schritt sein könnte. Wir können keine Wunder vollbringen, ihn auch nicht aus der Krise herausholen und sein Problem auch nicht mit einem Telefongespräch lösen, aber wir können mit ihm schauen, was von dem großen Berg, der da jetzt vor ihm liegt, der erste Stein wäre, den man wegrollen könnte. Meistens erfahren wir nicht, was daraus geworden ist. Wir geben unser Bestes und legen den Rest in Gottes Hand.

Porträt der ehrenamtlichen Mitarbeiterin Polly K.

„Wichtig ist, dass man erst mal da ist und zuhört.” Die warme und volle Stimme hat Polly K. (63) mit ihrer Kollegin Sophie gemeinsam. Viel telefoniert hat sie schon in ihrem früheren Beruf, als Mitarbeiterin in einem Reisebüro, wo sie täglich eine Vielzahl von Kunden per Telefon kontaktiert hat. Als ihre Firma vor vier Jahren plötzlich nach Köln zog, hat Polly ein schon lange geplantes Vorhaben in die Tat umgesetzt und die Ausbildung in der TelefonSeelsorge gemacht. Seitdem ist das Telefon nicht mehr wie früher ein Mittel zur schnellen Kundenakquise, sondern eine Verbindung zu Menschen, denen Pollys Stimme Hilfe und Trost bedeutet.

Frühmorgendliche Gespräche helfen in den Tag

„Die Anrufer sind oft mit so vielen Problemen behaftet, dass sie die Ursache nicht sehen.” Dann kommt es darauf an, eins nach dem anderen zu klären. „Nach dem Gespräch sagen viele, so schlimm ist es ja gar nicht. Sie versuchen dann, erste Schritte zu machen.” Auch bei Polly sind über die Jahre anonyme Beziehungen gewachsen, die ihr am Herzen liegen. So plaudert sie morgens immer mit einem jungen Mann, der täglich bei der TelefonSeelsorge anruft, weil er eine schlimme Nacht hatte. „Er fragt, ob wir eine Tasse Kaffee zusammen trinken können. Und dann versuchen wir gemeinsam, ihn auf den Weg zu bringen.”

Wenn die Stimme nicht mehr traurig klingt, ist es nicht umsonst

Oft nimmt Polly Anteil am Leben von Menschen, die von Mobbing und Arbeitslosigkeit betroffen sind oder Angst davor haben. Auch sie liest aus den vielfältigen Geschichten die Einsamkeit heraus. Dass die Gespräche ihr einmal zu nahe kommen könnten, befürchtet sie nicht. „Die hauptamtlichen Mitarbeiter können einen immer auffangen, wenn man sich von einem Gespräch belastet fühlt. Auch der Austausch innerhalb von Supervisionsgruppen hilft uns weiter.” Was bekommt man zurück von der Arbeit bei der TelefonSeelsorge? Polly überlegt kurz und sagt: „Wenn ich mit jemandem rede, dem es schlecht geht, und sich seine Stimme langsam ändert und nicht mehr so traurig klingt, dann gibt mir das unheimlich viel. Ich denke dann: Ja, du sitzt da, und es ist nicht umsonst.”

Ein Porträt von Susanne Hollmayer

Ein Interview mit Sozialpädagogin Martha Eber, stellvertretende Leitung der Evangelischen TelefonSeelsorge München

Als Diplom-Sozialpädagogin mit Zusatzstudium in Bewegungspädagogik war sie mehr als 25 Jahre in der Fort- und Weiterbildung für pädagogische Fachkräfte auf Landesebene tätig.

Die Ausbildungen zur Systemischen Beraterin und Therapeutin (SG) führten sie in eine berufliche Neuorientierung, zunächst freiberuflich und schließlich bei der TelefonSeelsorge des ebz München, wo sie 2014 ihre Arbeit aufnahm. Als hauptamtliche Mitarbeiterin begleitet sie Ehrenamtliche in der Supervision sowie in der Aus-und Fortbildung. Darüber hinaus ist sie als ausgebildete Online-Beraterin in der Mailseelsorge aktiv. Seit 2016 leitet sie stellvertretend die Telefonseelsorge.

Wenn Sie auf Ihre Arbeit zurückblicken: Wie hat sich die TelefonSeelsorge im Laufe der Zeit weiterentwickelt?

Immer mehr Menschen nutzen das Online-Beratungsangebot der TelefonSeelsorge. Dieser Nachfrage wollen wir mit Zusatzausbildungen der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Mail- und Chat-Seelsorge Rechnung tragen. Vor allem die jüngere Generation interessiert sich für die digitale Form der Seelsorge. Dies scheint für viele ein niedrigschwelliges Angebot zu sein. Viele bringen ihr Leid auf schriftlichem Weg zum ersten Mal zur Sprache.

Was hat Sie persönlich dazu bewogen, sich am Telefon für Menschen in Not und Krisensituationen einzusetzen?

Ich möchte seit jeher nah am Menschen sein, mich berühren lassen, nicht wegschauen – kurz: einfach da sein, wenn ich gebraucht werde. Am Telefon und in der Mail-Seelsorge bin ich näher an der Lebenswirklichkeit von Menschen und begegne ihnen auf Augenhöhe. Genauso geht es mir in der Arbeit mit ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das heißt für mich, die Ressourcen im Anderen zu entdecken und ihm bewusst zu machen. Es bedeutet aber auch, zu den eigenen Grenzen zu stehen und die Verantwortung des Anderen bei ihm zu belassen. Im Miteinander liegt das eigentliche Lern- und Entwicklungspotential, das in der TelefonSeelsorge von großer Bedeutung ist.

Welche Voraussetzungen müssen Ehrenamtliche in der Telefonseelsorge mitbringen?

Krisenerfahren und krisenbewährt sollten sie sein. Zudem brauchen sie die Fähigkeit, für sich selbst zu sorgen. Wichtig ist, sich empathisch in die Lebenswelt eines Anrufenden einfühlen und gleichzeitig die nötige Distanz wahren zu können. Wer in der TelefonSeelsorge berät, sollte wirklich gut zuhören können und mit einem warmen Herzen beim Gegenüber und bei sich selbst sein. Es braucht die Bereitschaft, zu sich zu stehen und sich infrage stellen zu lassen. Das bedeutet auch, sich auf eine persönliche Weiterentwicklung einzulassen. Alles Weitere bringen die über einjährige Ausbildung, die Supervisionen, die Fortbildungen und die Erfahrung mit sich.

Was sind Ihre Strategien in der Krisenintervention?

Eine konkrete Beziehung ist immer das Beste, das wir bieten können. In einer Krise dem Anderen das Gefühl zu geben, dass jemand für ihn da ist. Eine Person, die sich voll und ganz auf die Situation einlässt, die sich einfühlt und dabei einen klaren Kopf behält. Dass der betroffene Mensch in einer akuten Krise für den Augenblick oder eine Weile seine volle Handlungsfähigkeit verliert, ist eine ganz normale Reaktion auf außerordentlich belastende Situationen. Dies mache ich dem Ratsuchenden immer wieder bewusst, der von sich selber glaubt, nicht mehr ganz Herr seiner selbst zu sein. Im Gespräch lege ich durch gezielte Fragen den Fokus auf das Hier und Jetzt und lenke seine Aufmerksamkeit auf die verbliebenen Potentiale. Ich mache ihm bewusst, dass er als Ratsuchender noch so entscheidungsstark war, zum Hörer zu greifen und anzurufen. Ich überlege dann mit ihm den nächsten Schritt, der gegangen werden kann.

Welche Rolle spielen die sozialen Netzwerke in der TelefonSeelsorge? Die TelefonSeelsorge versteht sich, zusammen mit Mail- und Chatseelsorge, als ein Angebot, in dem Verschwiegenheit und Anonymität eine zentrale Rolle spielen. Die sozialen Netzwerke wie WhatsApp, Instagram und Facebook bieten hierfür nicht den geeigneten Rahmen. Die Bundesstelle der TelefonSeelsorge ist trotzdem auf Facebook vertreten. Hier kommt es vor, dass Ratsuchende ihre Erfahrungen mit der TelefonSeelsorge teilen, indem sie zum Beispiel einen Dank formulieren.

Welche besonderen Probleme und Fragen thematisieren jungen Menschen?

Junge Menschen rufen vor allem dann an, wenn sie sich in scheinbar ausweglosen Situationen befinden. Themenfelder wie Gewalterfahrungen, selbstverletzendes Verhalten oder Suizidgedanken begegnen uns vor allem über den Chat und die Mailseelsorge. Aber auch familiäre Beziehungen, Freundschaften, Liebeskummer sind wichtige Themen. Auffallend ist, dass sich zunehmend junge Menschen an die TelefonSeelsorge wenden, weil sie im Studium oder in der Ausbildung enormen Leistungsdruck erleben.

Porträt der ehrenamtlichen Mitarbeiterin Sophie M.

„Seit 34 Jahren habe ich dem Verein die Treue gehalten”, sagt Sophie M. (55), wenn man sie fragt, wie lange sie schon bei der Evangelischen TelefonSeelsorge arbeitet. „Ich habe die Ausbildung hier sehr spannend gefunden und festgestellt, dass diese Art, Seelsorge zu machen, mir sehr entspricht.” Sophie, eines der Urgesteine im Team der ehrenamtlich Mitarbeitenden, spricht bedächtig und konzentriert, mit einer tiefen, samtenen Stimme, der man gerne zuhört. Wenn sie nicht in einem der Beratungszimmer der TelefonSeelsorge sitzt, kümmert sie sich zu Hause um Haushalt und Familie. „Die Ausbildung war wie ein Erweckungserlebnis für mich. Ich habe sie in jungen Jahren gemacht und bin bis heute dankbar, dass ich damals diese Chance bekommen habe.”

Die einsamen Menschen rufen am häufigsten an

Sophie verbringt auch mal mehr Zeit am Telefon als die obligatorischen zwei Schichten pro Monat. Viele verschiedene Anliegen tragen ihr die Menschen am anderen Ende der Leitung vor. Doch geübt im Führen von Gesprächen und sensibel für versteckte Botschaften, erkennt Sophie den wahren Grund für die meisten Anrufe. „Die einsamen Menschen sind diejenigen, die am häufigsten unsere Nummer wählen. Sie nennen uns zwar andere Probleme wie undichte Fenster oder nicht genug Geld für die Miete, aber unten drunter schwimmt nach meinem Dafürhalten immer die Einsamkeit.”

Telefonseelsorge als Lebensaufgabe

Wenn Menschen regelmäßig zum Hörer greifen, dann können sich regelrechte Telefonfreundschaften entwickeln. Sophie erzählt von einer Frau, die jeden Tag um die gleiche Uhrzeit anruft. Diese Anruferin tritt nicht unbedingt mit schweren Problemen an die TelefonSeelsorge heran, vielmehr unterhalten sich die beiden über den vergangenen Tag. „Das ist für mich ein freundschaftlicher Anruf. Wenn sie sich mal in der Schicht, in der ich arbeite, nicht meldet, dann vermisse ich sie.” 34 Jahre TelefonSeelsorge und damit Arbeit am Menschen – gibt es da nicht Momente, in denen man den Dienst quittieren möchte? Sophie antwortet bestimmt und mit einem Lächeln: „Nein. Ich habe nur einmal ein Jahr lang Kinderpause gemacht.”

Ein Porträt von Susanne Hollmayer

Pastoralpsychologie

Ein Interview mit Andreas Herrmann, Mitarbeiter in der Pastoralpsychologie im ebz

Die Anforderungen im kirchlichen Arbeitsbereich werden zunehmend komplexer. Moderne Pfarrerinnen und Pfarrer verstehen sich als „Multimanager”. Erschöpfungs- und Überlastungserscheinungen bleiben dabei nicht aus. Andreas Herrmann, Mitarbeiter der pastoralpsychologischen Abteilung im ebz, begleitet und berät kirchliche Mitarbeitende in beruflichen und privaten Krisen.

Die Pastoralpsychologie bietet Unterstützung und Hilfestellung für kirchlich Mitarbeitende. Wer genau kommt zu Ihnen?
An uns wenden sich Hauptamtliche, also Pfarrerinnen und Pfarrer, Religionslehrkräfte, Diakone und theologisch-pädagogische Mitarbeitende. Aber auch Leute, die ehrenamtlich in der Kirche mitarbeiten, nehmen unser Angebot wahr. Die Pastoralpsychologie im ebz ist ein Ort, an dem „Lastenträger” aus dem Raum der Kirche durch fachkundige Beratung entlastet werden und neue Kraft schöpfen können.

Ihr Angebot ist sehr breit gefächert. Worum geht es beispielsweise in der Supervision?
Kirchlich Mitarbeitende kommen zu uns in die Supervision, um ihre berufliche Situation zu reflektieren. Dies geschieht vor dem Hintergrund, Handlungsoptionen zu erweitern, mit den gestellten Aufgaben besser umzugehen und die eigenen Ressourcen deutlicher wahrzunehmen.
Die Angebote der Supervision unterscheiden sich in ihrer Gruppengröße. Die Einzelsupervision bietet dem Ratsuchenden, dem Supervisanden, größtmöglichen Schutz. Er kann den ganzen Raum ausfüllen mit den Themen, die ihm am Herzen liegen.
In der Gruppensupervision treffen Menschen mit ganz unterschiedlichen Arbeitssituationen, Erfahrungen und Erwartungen zusammen. Dies bereichert das eigene Lernen und fördert neue Blickwinkel auf Gewohntes.
Bei der Teamsupervision geht es um ein bestehendes Team, das in der Kirche zusammenarbeitet. Mit unserer Hilfestellung verbessert sich die Zusammenarbeit, und Konflikte wie Schwierigkeiten mit Vorgesetzten oder Mobbing lösen sich.

Was ist der Unterschied zwischen Supervision und allgemeiner Beratung?
Im Unterschied zur Supervision geht es in der Beratung um Probleme im persönlichen Bereich. Das kann ein Lebensereignis wie Ehekrise, Trennung oder Tod sein. Oft geht es aber auch um das kritische Hinterfragen, was man im Leben eigentlich erreichen möchte. Themen wie Berufswahl und Neuorientierung werden hierbei angesprochen.

Das dritte Angebot ist die Fortbildung. Geht es hierbei hauptsächlich um seelsorgerliche Themen?
Die Angebote zur Vertiefung der seelsorgerlichen Kompetenz sind zwar bei uns in der Fortbildung am häufigsten gefragt. Aber auch andere Themen kommen vor, die kirchlich Mitarbeitenden besonders unter den Nägeln brennen. Dazu gehören Burnout, Umgang mit Belastungen und Fragen, wie Feuer und Leidenschaft für den eigenen Beruf am Lodern gehalten werden können.

Neu in Ihrem Angebot ist die Geistliche Begleitung. Was ist das genau?
Hier bieten wir Begleitung für Menschen, die sich mit ihrer Spiritualität, mit ihrem Glauben an Gott in einer Sackgasse befinden oder sich weiterentwickeln wollen. Auch professionelle Mitarbeitende in der Kirche sehnen sich nach einer intensiveren Beziehung zu Gott oder suchen nach Wegen, im Alltag achtsamer auf die Stimme Gottes zu hören und sie für das eigene Leben zu deuten. Geistliche Begleitung unterstützt dieses Suchen und Sehen.

Mit welchen Methoden arbeiten Sie?
Gerade Menschen im kirchlichen Bereich sind Menschen des Wortes, die gewohnt sind, viel zu reden, aber auch gut um sich selbst herumreden können. Rollenspiele und Aufstellungen sind kreative Methoden, um andere Zugänge zu den eigentlichen Anliegen zu finden. Was ich vielfach mit Worten ausgedrückt habe, fühlt sich auf einmal ganz anders an, wenn ich es in einem Bild darstelle.

Herr Herrmann, Sie geben anderen Rat und Hilfe. Woher schöpfen Sie Ihre Kraft?
Natürlich müssen wir als Mitarbeiter dafür sorgen, dass wir die Menschen gut begleiten und nicht selbst „am Stock gehen”. Es ist immens wichtig, dass wir für uns selbst, für unsere eigene Seele, sorgen. Dabei spielt natürlich auch mein Glaube eine wichtige Rolle. Für uns ist es normal, in die Supervision zu gehen. Meine eigene Psychohygiene ist meine Arbeit in der Schule. Die Arbeit mit Kindern ist für mich ein wunderbarer Ausgleich.

Ein Interview von Tanja Thurner und Jutta Pillai

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